Ich habe mal wieder etwas interssantes bei Beatpunk gefunden, was ich an dieser Stelle dokumentieren möchte:
Vorspiel: Wie bekommt man ein Visum für den Iran? Ich klicke mich durch zahlreiche Internet-Foren und bin erstmal etwas verunsichert. Man brauche eine Einladung aus dem Iran, eine Referenznummer, vorher könne man ein Visum gar nicht erst beantragen. Jedes Konsulat entscheide nach gutdünken, in der Türkei gebe es das Visum ohne jeglichen Stress nach ein paar Tagen, in anderen Ländern müsse man mehrmals antanzen. Einige haben irgendwann frustriert aufgegeben. In Deutschland muss man sich entweder an das Konsulat in Berlin oder Frankfurt wenden. Aufgrund meiner Postleitzahl ist für mich die Frankfurter Stelle zuständig. Auf deren Internetseite kann ich nichts von speziellen Anforderungen wie einer Einladung oder Ähnlichem finden. Mehrere Frankfurter Reisebüros bieten die Besorgung eines Iranischen Visums an und berechnen einen saftigen Batzen extra um die erforderliche Referenznummer zu besorgen. Nach mehreren Tagen bekomme ich tatsächlich einen verantwortlichen Mitarbeiter des Frankfurter Konsulates ans Telefon, der mich unwirsch darauf hinweist, dass ohne eine Einladung auch kein Visa zu haben wäre. Wie denn eine solche Einladung zu bekommen sei, frage ich schüchtern nach. Der Konsulatsmitarbeiter diktiert mir eine private Handynummer und sagt, dort solle ich mal anrufen, da werde mir geholfen. Ich wähle die Nummer und erreiche einen Mann mit persischem Namen, der grade im Auto unterwegs ist und mir etwas umständlich seine Email-Adresse diktiert. Dort solle ich meine Visumsanfrage hinschicken, er werde mir dann die erforderlichen Informationen und Unterlagen zukommen lassen. Einen Tag später erhalte ich den Vordruck für das Visa plus eine Kontoverbindung, auf die ich neben den Visagebühren noch mal 60,-€ extra einzahlen soll, damit die Referenznummer besorgt wird. Ich überweise das Geld und schicke meinen Reisepass an die angegebene Adresse. Vier Tage später finde ich den Pass inklusive des gewünschten Visums in meinem Briefkasten.
Teheran. Am erst vor wenigen Jahren fertiggebauten Imam-Khomeini-Flughafen empfangen mich großformatige Portraits alter Männer mit Turban, Bart und Brille, die monströs von der hohen Hallendecke hängen. Ich werde mich an ihren Anblick gewöhnen müssen. Mit dem Taxi dauert es etwa 45min bis ins Zentrum der Stadt. Wann die Vororte aufhören und das Stadtzentrum anfängt, ist zunächst nicht zu erkennen. Alles sieht gleich trostlos und abgefuckt aus. Den ersten Eindruck, den Teheran erweckt, ist der eines Kriegsgebietes. Zumindest der Ästhetik nach. Alles grau. Viele Häuser sind unverputzt. Verfallene Baustellen. Kaum höhere Gebäude. Abgeranzte Strassen. Alles scheint gleich auszusehen. Werbung an Shops oder Reklametafeln wird ersetzt durch omipräsente Khomeini-Portraits. Oft ist auch sein Nachfolger Chamenei zu sehen, der nicht nur einen ähnlichen Namen sondern auch das gleiche Outfit zum besten gibt. Portraits von Achmadenischad sieht man so gut wie nie. Abwechslung zum Grau bieten riesige auf Häuser aufgemalte Bilder irgendwelchen Märtyrer, meist aus dem Iran-Irak-Krieg. Dazu Parolen. Von der Ästhetik erinnert das ganze an die Wandmalereien der IRA in Irland. Khomeini ist dermaßen überpräsent, dass ich ihn gleich noch mal erwähnen muss. In Ämtern, Restaurants, Hotels, Cafes, sogar in Kinderzimmern wacht er über seine Untertanen.
Zur Erinnerung: Der Khomeini, der den Schah gestürzt und die islamistische Revolution angeführt hat. Der Khomeini, der danach alle Mitstreiter des Umsturzes hat ermorden lassen (Demokaraten, Kommunisten, Gemäßigte). Der Khomeini, der das heiratsfähige Alter für Frauen auf 9 Jahre heruntergesetzt hat. Der Khomeini, der die Ermordung Salman Rushdies per Fatwa verordnen ließ. Der Khomeini, der im Iran-Irak-Krieg tausenden von Grundschülern Plastikschlüssel hat übergeben lassen um sie dann der ehrenvollen Aufgabe der Räumung verminter Felder zu überantworten. Ehrenvoll deshalb, weil sich die Kinder durch Ablaufen der Minen selber in die Luft sprengten, aber danach immerhin als Märtyrer mithilfe des ausgegebenen Plastikschlüssels das Tor zum Paradies aufschließen durften. Geschichten wie diese, die einem das Gefühl geben, einem abstrus-sarkastischem Alptraum zu lauschen, finden sich im Iran an jeder Ecke, bzw. in den meisten Gesprächen mit Einheimischen.
Zwischen all dem Irrsinn wuselt munter das Leben weiter. Bemerkenswerterweise funktioniert der Verkehr fast komplett ohne Ampeln und komplett ohne Regeln. Zumindest sind mir diese verschlossen geblieben. Der Verkehr stoppt nicht, es sei denn er staut. Ein Motorrad passt dennoch immer irgendwo durch, etwa auf dem Gehsteig (wenn es einen gibt) oder eben durch den Gegenverkehr. Als Fußgänger rennt mein einfach immer irgendwie zwischen den fahrenden Autos durch. »Let’s break a leg«, sagt der iranische Volksmund, wenn er die Straße überquert. Auch der Reiseführer weiß: »Von wegen Terror. Wirklich gefährlich ist im Iran nur der Verkehr«. Wenn man nicht vom Auto erwischt wird – den Abgasen kann man nicht entkommen. Der ungefilterte Smog verewigt sich nicht nur an sämtlichen Gebäuden, auch die Lungen dürfen sich auf eine schicke Musterung freuen. Den beißenden Geschmack von Benzin und Abgas hat man ständig auf der Zunge liegen. Mit 40 Jahren Kette rauchen kann man Lungen aus Teheran wenig beeindrucken.
Die Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung gestaltete sich dagegen überraschend einfach und ohne eigenes Zutun. Auf Schritt und Tritt wird man in meist ausgezeichnetem Englisch (teilweise auch deutsch) angesprochen und wenn man möchte, hat man direkt eine Stadtführung oder eine Einladung in die privaten Räumlichkeiten der jeweiligen Person, inklusive Abendessen. Die Gespräche haken bevor man zu philosophieren beginnt folgende Punkte ab:
Das Leben im Iran ist Scheiße, weil…
Ich würde gerne nach Deutschland/Europa/USA emigrieren, aber…
Wie ist das mit Sex und Beziehung in Deutschland…?
Frau und Mann wird im Iran sorgfältig getrennt. Frauen sitzen im Bus hinten, Männer vorn. In der U-Bahn gibt es einen extra Wagon für Frauen, 15 Waggons für Männer. In Cafes sitzen Männer. Manchmal gibt es einen extra Raum, dort dürfen dann auch Männer mit ihren verheirateten Frauen sitzen. Frauen gibt es mal mehr verschleiert, mal weniger. Ganz unverschleiert gibt es sie nicht. Ohne ihren Tschador (persisch für »Zelt«) darf die iranische Frau nicht vor die Tür bzw vor die Augen der Männer – mindestens Kopf und Hintern müssen gut verhüllt sein. Wenn sie es doch wagen sollte und der Schleier nicht richtig sitzt, wird sie von der Polizei oder den Tugendwächtern verhaftet und/oder verprügelt.
In manchen Cafes trifft sich unerlaubterweise die noch nicht verheiratete Jugend. Händchen halten wird geduldet. Das hätte sich die Generation zehn Jahre zuvor nicht träumen lassen! Küssen ist streng verboten. Beim jugendlichen Flirten (2/3 der Iraner sind unter 25 Jahre alt) kann man die Frauen als den deutlich aktiveren Part beobachten, sie haben es nötiger, sie sind abhängiger. Im privaten Raum dürfen Frauen manchmal auch Mensch sein, blühen auf und zeigen, dass sie besser englisch sprechen und gebildeter sind, als ihre männlichen Altersgenossen. Wenn man Sex haben möchte, braucht man ein Auto und einen privaten Raum – Hotels erlauben keine unverheirateten Paare. Wenn man nicht verheiratet ist und erwischt wird, kostet es, sollte man Glück haben, 50 Euro Geldstrafe. Vielleicht aber auch Prügel oder Folter. Ist man schon ein wenig älter und gehört nicht mehr zur kämpferischen Jugend, darf man mit seiner Parterin nur zusammen sein, wenn man ordentlich verheiratet ist. Darüber wacht die Familie. Ordentlich verheiratet ist man allerdings erst dann, wenn man es sich leisten kann, eine sauteure Hochzeit zu schmeißen, auf die eine Mittelstands-Partnerschaft drei Jahre sparen muss. Für andere bleibt dieser Schritt Richtung »Freiheit«, also die Erlaubnis sich zu sehen, unerreichbar.
Schon am ersten Abend treffen wir auf der Suche nach einem Internetcafe einen sympathischen Herrn Anfang 30, der uns in flüssigem Deutsch auf der Strasse anspricht. Früher hat er in der Tourismusbranche gearbeitet, seit dem 11.September ist nicht mehr daran zu denken, im Iran damit Geld zu verdienen. Die wenigen Touristen die noch kommen, sind knickerige Backpacker wie wir, bei denen nicht viel zu holen ist. Sogleich lässt unsere neue Bekanntschaft eine Reihe hasserfüllter Kommentare über die Regierung des Iran hören um schließlich bei schwer resignierten Tönen anzukommen. Er gibt uns seine Telefonnummer und wir daten uns für den nächsten Abend zum Essen bei ihm zuhause. Er holt uns samt seines Schwagers und dessen 4jährigem Sohn an der vereinbarten Straßenkreuzung ab und wir brausen zur Wohnung des Bruders. Seine eigene sei zu klein, erklärt er. Nachdem die Schuhe ausgezogen sind betreten wir einen herrschaftlich großen Raum, der durch zwei römisch anmutende Säulen eine leichte Trennung erhält und unter prächtiger Stuckdecke sowohl Sofa als auch Esstisch vereint. Es gibt einen großen türlosen Durchgang zur Küche, was dem ganzen noch mehr Weite verleit. So hässlich sich Teheran auch von außen präsentiert, im privaten hat man es sich stets schön eingerichtet. Die Frau des Bruders und die Schwester sind schon gespannt und begrüßen uns. »Nicht die Hand geben«, sagt unser Gastgeber. Ich versuche es trotzdem und eine der Frauen erwidert die Geste. Der Tisch ist reich gedeckt mit allerhand Süsszeug und Tee. Die Frauen werden den Rest des Abends dafür sorgen, dass er gedeckt bleibt. Die Männer essen und reden. Jeder wird ausgiebig auf das Leben im Iran schimpfen.
Spaß ist im Iran verboten. Sagen unsere Bekanntschaften und wir glauben es. Den Spaß möchte man sich aber nicht nehmen lassen und daher wird nach dem Abendessen im eigens ausgebauten Party-Keller SCOOTER aufgelegt und stolz die selbstkonstruierte Lichtmaschine angeschmissen. »Das ist illegal. Das ist Musik gegen die Religion und gegen die Regierung. Wir mögen das. Wir hören alle Pop, Jazz und Metallica« sagt unser Gastgeber mit leuchtenden Augen. Der vierjährige Neffe springt begeistert herum, HP Baxxter schreit »Good to be back – Come on!«. Später rast uns ein anderer Neffe des Gastgebers zurück ins Hotel, während die Bassröhre im Kofferraum vollaufgedrehten Techno hervorwummert. Als wir eine Polizeistreife überholen, wird die Musik kurz leiser gedreht. Von den vielen sich widersprechenden Eindrücken schon am zweiten Tag fallen wir erschlagen in die Hotelbetten…
Fortsetzung folgt
Von Max
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen